Das vom baden-württembergischen Landtag 2013 beschlossene und erstmals bei der Kommunalwahl 2014 angewandte Wahlrecht für 16- und 17-Jährige auf kommunaler Ebene steht mit dem Grundgesetz im Einklang. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren. Das Grundgesetz lege in Art. 20 fest, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht; die Zugehörigkeit zu diesem werde durch die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt und sei nicht auf Personen beschränkt, die mindestens 18 Jahre alt sind. Art. 38 Abs. 2 GG lege lediglich das Wahlalter für Bundestagswahlen auf 18 Jahre fest. Die Länder können im Rahmen der in Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG niedergelegten Wahlgrundsätze das Wahlalter auf Landesebene regeln; ihnen ist hierbei ein Einschätzungsspielraum eröffnet. Das BVerwG sah weder im Gesetzgebungsverfahren selbst noch in einem fehlenden Ausschluss Minderjähriger, bei denen die Voraussetzungen für eine Betreuung nach § 1896 BGB vorliegen, Verstöße gegen das Verfassungsrecht.
Mit Wirkung erstmals zur Kommunalwahl im Jahr 2014 hatte der Landtag von Baden-Württemberg das Mindestalter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Zwei Bürger sahen darin einen Wahlfehler. Wie in den Vorinstanzen bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigte auch das Bundesverwaltungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der maßgeblichen Bestimmungen der Gemeindeordnung und entschied damit im Sinne des von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretenen Landes.
Zunächst legte das BVerwG dar, dass die wahlberechtigten, aber noch nicht volljährigen Bürger zum Staatsvolk im Sinne des Grundgesetzes gehören. Die Zugehörigkeit zu diesem werde alleine durch die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt. Mit der Festlegung eines Wahlalters in Art. 38 Abs. 2 GG lasse sich nicht begründen, dass das Staatsvolk nur aus solchen Deutschen bestehe, die mindestens 18 Jahre alt sind. Art. 38 beziehe sich ausschließlich auf Bundestagswahlen. Deshalb seien die Länder im Rahmen des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG bei der Ausgestaltung des Landeswahlrechts grundsätzlich frei. Dem Landesgesetzgeber sei ein Einschätzungsspielraum eröffnet. Dabei ist Sorge zu tragen, dass eine hinreichende Verstandesreife zur Voraussetzung des aktiven Stimmrechts gemacht wird, da ohne sie keine verantwortliche Wahlentscheidung getroffen werden kann. Diese Grenzen habe der baden-württembergische Gesetzgeber nicht überschritten.
Wie die Gerichte feststellten, hat der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum auch ohne Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorgaben des Grundgesetzes ausgeübt. Die Kläger hatten u.a. gerügt, dass im Landtag keine Sachverständigenanhörung durchgeführt wurde. Allerdings hatte der Landtag verschiedene öffentliche und nicht-öffentliche Stellen angehört und zudem die in mehreren anderen Bundesländern bereits früher erfolgte Absenkung des Wahlalters in den Blick genommen. Ein Anlass, weitergehende Anforderungen an das Verfahren zu stellen, bestand nicht.
Weiterhin kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen die Gewährleistung eines gleichen Wahlrechts (Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG) nicht aus der Tatsache folge, dass der Gesetzgeber zwar volljährige Bürger vom Stimmrecht ausgeschlossen hat, für die dauerhaft ein Betreuer bestellt ist, einen vergleichbaren Ausschluss aber für minderjährige Wahlberechtigte nicht vorgesehen hat. Denn § 1896 BGB sieht bei Minderjährigen, die noch von ihren Eltern gesetzlich vertreten werden, eine Betreuung nicht vor, so dass man eine Einzelfallprüfung durch die Wahlbehörde hätte vorsehen müssen. Dies wiederum hätte die Wahlbehörden vor kaum zu bewältigende Herausforderungen gestellt. Demgegenüber ist der betreffende Personenkreis aus Sicht des Gerichts denkbar klein und mit einer Wahlteilnahme regelmäßig ohnehin kaum zu rechnen. Die Differenzierung war vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Schließlich stellte das Bundesverwaltungsgericht auch klar, dass die von den Klägern ins Feld geführten bundesrechtlichen Bestimmungen zur Volljährigkeit z.B. im BGB keinen rechtlichen Maßstab für die Regelung des Wahlalters im Kommunalwahlrecht darstellen.
Das Urteil ist rechtskräftig. Die Klägerseite prüft die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde.