Normenkontrollantrag hatte Erfolg: Mit Urteil vom 11.09.2012 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Sperrzeitverordnung der Stadt Kehl zum Schutz der Wohnbevölkerung vor nächtlichen Ruhestörungen durch Gaststätten mit Geldspielgeräten für unwirksam erklärt. Das Gericht stellte fest, dass ein solcher Eingriff in die Berufsausübung von Gaststättenbetreibern bzw. Automatenaufstellern belastbare Feststellungen zur nächtlichen Lärmsituation – z.B. durch schalltechnische Messungen – erfordert hätte, woran es aber hier fehlte.
In dem Verfahren befasste sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit der Sperrzeitverordnung der Stadt Kehl vom 28.03.2012, die den Beginn der Sperrzeit für Gaststätten mit Geldspielgeräten gegenüber der allgemeinen Sperrzeit für sonstige Gaststätten deutlich vorverlegte. Die betroffenen Gaststätten mussten von Sonntag bis Donnerstag bereits um 0 Uhr statt um 3 Uhr schließen sowie Freitag und Samstag bereits um 2 Uhr (allgemeine Sperrzeit Samstag auf Sonntag 5 Uhr). Die Stadt Kehl hatte ihre Verordnung damit begründet, dass Beschwerden über nächtliche Ruhestörungen in der Nachbarschaft innerstädtischer Gaststätten mit Geldspielgeräten zugenommen hätten. Wegen befürchteter „Ausweichbewegungen“ wurde der Geltungsbereich auf alle Gebiete mit störungsempfindlicher Wohnnutzung erstreckt.
Mit der durch Urteil vom 11.09.2012 festgestellten Unwirksamkeit der Sperrzeitverordnung entsprach das Gericht dem Antrag der beiden von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretenen Antragsteller, einer Gaststättenbetreiberin sowie einem Automatenaufsteller, die sich in ihrer Berufsfreiheit verletzt sahen.
Der Verwaltungsgerichtshof erkannte zwar an, dass Lärmimmissionen – als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes – ein Gefahrenpotenzial darstellen können. Allerdings trage die in § 11 der Gaststättenverordnung festgelegte allgemeine Sperrzeitregelung den durchschnittlichen Gefahrenpotenzialen Rechnung. Wenn das Grundrecht der Gewerbetreibenden aus Art. 12 Abs. 1 GG durch ordnungsbehördliche Regelungen stärker beschränkt werden solle, erfordere dies ein erhöhtes Gefährdungspotenzial im betreffenden Bereich.
Wie das Gericht klarstellte, hat der Verordnungsgeber vor dem Hintergrund des Grundrechtseingriffs belastbare Feststellungen über das erhöhte Gefahrenpotenzial zu treffen. Hierbei sind in der Regel Lärmmessungen oder Immissionsprognosen sachverständiger Gutachter zu Grunde zu legen, aus denen sich ergibt, ob der nächtliche Lärm, der von den von der Sperrzeitverordnung betroffenen Gaststätten ausgeht, den einschlägigen Richtwert überschreitet. An solchen Feststellungen fehlte es im vorliegenden Fall. Lärmmessungen waren nicht vorgenommen worden. Aus einer dem städtischen Verwaltungsausschuss vorgelegten Liste ergab sich zudem, dass lediglich in Bezug auf ca. ein Fünftel der von der Verordnung betroffenen Gaststätten überhaupt Beschwerden vorlagen, wobei diese Beschwerden zudem nicht näher dokumentiert waren. Für Gaststätten mit nur einem oder zwei Geldspielgeräten wurde nicht einmal ansatzweise näher ermittelt, ob von ihnen ein Gefährdungspotenzial ausgeht.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.