Vor über hundert Jahren entstandene Bodenverunreinigungen führen zu einer weitreichenden Haftung: Das Oberlandesgericht Karlsruhe als Berufungsinstanz gab dem Grunde nach einer Klage statt, die den Gesamtrechtsnachfolger des damals schadenverursachenden Unternehmens zum Ausgleich der Sanierungskosten verpflichtet. Spätestens seit 1872 musste ein Unternehmen damit rechnen, für solche Schäden in Anspruch genommen zu werden. Ob die als Zwischenverkäufer eingetretene Stadt mit Ersatzansprüchen des Nachfolgeunternehmens rechnen muss, blieb offen.
Im Raum steht eine Forderung von annähernd 700.000 Euro. Diese Kosten sind für die Altlastensanierung auf einem gewerblich genutzten Grundstück angefallen. Dort stand von Mitte des 19. Jahrhunderts an eine Fabrik, in der bis etwa 1910 auch ein eigenes Gaswerk betrieben wurde. Im Rahmen einer Baugrunduntersuchung fand man im Jahr 2001 an dieser Stelle u.a. das cyanidhaltige Gift „Berliner Blau“, ein auch für das Grundwasser gefährlicher Stoff. Das Nachfolgeunternehmen des ursprünglichen Betriebs hatte 1997 das Gelände an die Stadt verkauft. Die Stadt wiederum verkaufte eine Teilfläche des Grundstücks kurz darauf weiter.
Die Pächterin des Grundstücks, die die Sanierungskosten getragen hatte, klagte zunächst vor dem Landgericht Mannheim gegen das Nachfolgeunternehmen der früheren Fabrik. Die von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Stadt trat dem Rechtsstreit als Streithelferin auf Seiten des beklagten Unternehmens bei. Das Landgericht verneinte Ansprüche. Die dagegen gerichtete Berufung vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe hatte Erfolg. Das OLG stellte fest, dass sich die in § 4 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) normierten Pflichten zur Störungsbeseitigung auch auf Bodenveränderungen und Altlasten erstrecken, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes im Jahr 1999 verursacht wurden. Zudem kam das Gericht zum Ergebnis, dass das Nachfolgeunternehmen im Jahr 1926 die Gesamtrechtsnachfolge der Firma, die das Gaswerk betrieben hatte – d.h. der Verursacherin der Bodenkontamination –, antrat. Im Gegensatz zur Vorinstanz bejahte das OLG schließlich auch die Frage, ob die Gesamtrechtsnachfolgerin in die Polizeipflichten des Vorgängerunternehmens eingetreten war. Es habe sich nämlich um eine Polizeipflicht gehandelt, die nicht höchstpersönlich war. Spätestens seit 1872 stellte eine Verunreinigung des Erdreichs und Grundwassers beim Betrieb eines Gaswerks nach damaligem Gewerberecht einen polizeiwidrigen Zustand dar; d.h. die Behörden durften dem Betreiber die Beseitigung von Schäden auferlegen. Somit bestand auch kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass dem Unternehmen keine Verantwortlichkeit entstehen konnte.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts sah das OLG den sich aus § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG ergebenden Ausgleichanspruch nicht aufgrund anderweitiger Vereinbarung ausgeschlossen. Da die Verträge vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen worden waren, konnte auch ein Ausschluss dieser gesetzlichen Bestimmungen nicht von der Willensbildung der Vertragsparteien erfasst sein. Zwar könne man erwägen, die Stadt hätte – hätte sie das BBodSchG vorausgesehen – eine Verpflichtung in den Kaufvertrag aufgenommen, wonach Ansprüche aller potentiellen Mieter, Pächter und/oder Käufer ausgeschlossen sind. Dann aber liefe dies auf einen Vertrag zu Lasten Dritter hinaus, den aber das deutsche Recht nicht kennt und der die Klägerin demnach nicht an der Durchsetzung ihrer Ansprüche gehindert hätte. Offen ließ das OLG erstens, ob im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Stadt Ersatzansprüche in Bezug auf das das Altlastenrisiko bestehen und zweitens ob die Stadt sich sodann bei der Erwerberin des Grundstückes aufgrund vertraglicher Ansprüche wieder schadlos halten kann; diese Fragen waren nicht Gegenstand des Prozesses.