Einige Zeit nachdem eine Kirchengemeinde mit dem Anbau einer Aufzugsanlage begonnen hatte, legte eine Nachbarin wegen eines angeblich zu geringen Grenzabstandes Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein und begehrte, aufschiebende Wirkung anzuordnen (faktisch: Baueinstellung). Das Verwaltungsgericht Karlsruhe betrachtete die Sach- und Rechtslage bezüglich des Grenzabstandes als offen, weil weitere Prüfungen notwendig seien, und gab sodann dem Interesse der Kirchengemeinde am weiteren Vollzug den Vorrang vor dem nachbarlichen Interesse, da der Bau schon fast vollständig fertig gestellt war und somit dessen Errichtung letztlich nicht mehr verhindert werden konnte. Die aufschiebende Wirkung hätte lediglich noch die Inbetriebnahme verhindern können. Im Beschwerdeverfahren bestätigte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg diese Entscheidung, da die Fertigstellung des Rohbaus inzwischen erfolgt ist. Zwischen der ersten Kenntnis von Abbruch- und Bautätigkeiten bis zum Antrag an das Verwaltungsgericht lagen mehrere Monate.
Da die zuständige Behörde nicht nachweisen konnte, dass die betroffene Nachbarin über das Bauvorhaben gemäß § 55 LBO benachrichtigt worden war, war ihr fast zwei Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung eingelegter Widerspruch noch zulässig. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe ging – unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes – davon aus, dass hier eine Widerspruchsfrist von einem Jahr galt, die aber erst zu dem Zeitpunkt begann, als für die Nachbarin die Genehmigung und deren Umfang und Folgen erkennbar waren. Erstmals im Oktober 2013 konnte sie Abbrucharbeiten und ab Januar 2014 Aushubarbeiten nahe ihrer Grundstücksgrenze erkennen. Der im April 2014 eingelegte Widerspruch lag somit innerhalb dieser Jahresfrist.
Die von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Kirchengemeinde hatte zum Zeitpunkt der Verhandlung beim Verwaltungsgericht die Aufzugsanlage annähernd fertiggestellt. Auf diese Tatsache hob das Gericht bei seiner Entscheidung ab, denn damit hätte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht mehr die Errichtung des Baus verhindert, sondern lediglich die Inbetriebnahme des Aufzugs. In dieser alleine aber sah das Gericht keine erhebliche Beeinträchtigung, etwa durch Lärmimmissionen.
Den Ausgang des Widerspruchsverfahrens indessen wertete das Verwaltungsgericht Karlsruhe als offen. Es bewertete die Aufzugsanlage als abstandsflächenrelevant, wobei aber die Zulassung eines geringeren Abstandes nach § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 LBO wegen der schon eng bebauten Innenstadtlage noch offen sei. Zu berücksichtigen seien auch von der Nachbarin selbst nicht eingehaltene Abstände, mögliche Vorbelastungen, die konkrete Beeinträchtigung im Bereich von Fenstern des Nachbarhauses und eine mögliche Abweichung nach § 56 Abs. 2 Nr. 2 LBO auch unter Berücksichtigung der Frage, dass ein barrierefreier Zugang zum 2. OG. benötigt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Entscheidung. Eine Vereitelung des vorläufigen Rechtsschutzes, wie von der Nachbarin vorgetragen, vermochte das Gericht nicht zu erkennen. Der Umstand, dass die Anlage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weitgehend fertiggestellt war, sei auf das Verhalten der Antragstellerin selbst zurückzuführen. Bereits im Oktober 2013 habe sie von Abbrucharbeiten Kenntnis erlangt, der zutreffende Antrag bei Gericht sei aber erst Anfang Mai 2014 gestellt worden. Der Beschluss ist rechtskräftig.