Nachvollziehbare Besorgnis in einem Wohngebiet: Ein seit 1984 betriebener Steinbruch erhielt die Genehmigung zur Erweiterung der Abbaufläche um 3,75 ha; dadurch rückt dieser auf bis zu 100 m an eine bestehende Wohnbebauung heran. Eine dagegen gerichtete Klage vor dem VG Freiburg blieb jedoch ohne Erfolg. Die Genehmigung rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen (Erschütterungen, Steinflug, Staub, Lärm) zu Lasten der Anwohner hervor, wie das Gericht mit detaillierten Verweisen auf die im Genehmigungsprozess vorgelegten Fachgutachten darlegte. Die Grenzwerte der einschlägigen Vorschriften seien eingehalten, ferner werde durch entsprechende Nebenbestimmungen der Genehmigung eine Überwachung sichergestellt. Auch leide der zugrundeliegende Regionalplan nicht an Abwägungsfehlern im Hinblick auf die Ausweisung eines Vorranggebietes für den Rohstoffabbau.
Da die bisherige Abbaugrenze nahezu erreicht war, beantragte der Betreiber eines Steinbruchs die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Erweiterung der Abbaufläche (bisher 9,66 ha) um 3,75 ha. Das Landratsamt erteilte die beantragte Genehmigung unter Auflagen sowie Nebenbestimmungen und wies zugleich Einwendungen von Anwohnern im nahegelegenen Wohngebiet zurück. Auch ein Widerspruch beim Regierungspräsidium blieb ohne Erfolg.
Daraufhin erhoben die von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretenen Anwohner Klage beim Verwaltungsgericht. Sie machten geltend, die Auflagen und Nebenbestimmungen seien im Ergebnis nicht geeignet, die massiven tatsächlichen Beeinträchtigungen als Eigentümer und Bewohner und die erhebliche Verschlechterung ihrer Rechts- und Vermögenspositionen zu verhindern. Für die Wohnnutzung im reinen Wohngebiet stelle es eine nicht zumutbare und nicht hinnehmbare Belastung dar, wenn ein Steinbruchabbau auf bis zu 100 - 120 m an das Wohngrundstück heranrücke. Hieraus ergäben sich Risiken durch Steinschlag und Erschütterungen bei Sprengungen sowie weitere Lärm-, Staub- und Erschütterungsbeeinträchtigungen im sonstigen Abbaubetrieb. Eine intensive Gewichtung und Abwägung der Rechtspositionen sei nicht erfolgt.
Das VG Freiburg wies die Klage ab. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei rechtmäßig. Schädliche Umwelteinwirkungen zu Lasten der Anwohner seien hier mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungspflichtige Anlagen so zu errichten, dass schädliche Umwelteinwirkungen und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden. Dies habe jedoch nicht die Bedeutung, dass jedes nur denkbare Risiko ausgeschlossen sein müsse. Ob Immissionen geeignet seien, Beeinträchtigungen herbeizuführen, richte sich insbesondere nach dem Stand der Wissenschaft. Diese (naturwissenschaftlichen) Fachkenntnisse müssten in die Entscheidungen der Genehmigungsbehörde eingehen.
In seiner sehr detaillierten Urteilsbegründung legte das Gericht für alle hier einschlägigen Immissionen (Erschütterungen und Steinflug durch Sprengungen, Lärm, Staub) ausführlich dar, wie die Auswirkungen von den Fachgutachtern eingeschätzt wurden und dass unter Beachtung der Vorgaben der Sachverständigen die jeweiligen Grenzwerte eingehalten werden. Das Gericht betonte, es sehe keine Gründe, an den schlüssigen Ausführungen der Gutachter zu zweifeln. Die Vorgaben der Sachverständigen hätten - in Form von Nebenbestimmungen - in die Genehmigung Eingang gefunden (z.B. zusätzliche Abdeckung des Bohrlochmundes bei Sprengungen nahe des Wohngebiets, Messung von Erschütterungen an den nahegelegenen Wohngebäuden, Betriebszeiten des Steinbruchs, Befeuchten oder Abdecken von staubenden Schüttgütern und Weiteres). Entgegen der Auffassung der Kläger verletze das Vorhaben nicht das Gebot der Rücksichtnahme; auch der Verweis auf bereits vorhandene Haarrisse im Putz des Wohngebäudes der Kläger vermochte das VG nicht zu überzeugen, da die Kausalität zu Sprengungen nicht nachgewiesen sei.
Geprüft wurde vom Verwaltungsgericht auch die Frage, ob der Abstand eines Steinbruchs zu einer Wohnbebauung von unter 300 m zulässig ist. Dieser Mindestabstand gründet in einem Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen, welcher laut Verwaltungsgerichtshof auch in Baden-Württemberg Anhalt zu geben vermag. Allerdings beziehe sich dieser Abstand nur auf ebenes Gelände, in anderen Fällen seien Einzelfalluntersuchungen anzustellen. Vorliegend befinde sich der Steinbruch auf der ortsabgewandten Seite eines Bergrückens, während die Wohnbebauung auf der anderen Seite hangabwärts liege. Die Sachverständigen hätten sich mit dem hier relevanten Abstand von 100 bis 120 m auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, dass in Verbindung mit Schutzmaßnahmen ausreichende Sicherheit gegeben sei.
Schließlich leide auch der Regionalplan mit Blick auf die Ausweisung des Vorranggebietes für Rohstoffabbau nicht an zur Unwirksamkeit führenden Abwägungsfehlern, so das VG. Für die Abwägung gelten hier die gleichen Grundsätze wie sie zur Bauleitplanung entwickelt wurden. Im vorliegenden Fall habe der Regionalverband die hohe Bedeutung des Vorranggebiets für den Rohstoffabbau und die Auswirkungen auf das Schutzgut der menschlichen Gesundheit in nicht zu beanstandender Weise ermittelt und im Rahmen der Abwägung korrekt gewürdigt. Auch das Gebot planerischer Konfliktbewältigung, wonach eine Planung nicht dazu führen darf, dass durch sie hervorgerufene Konflikte letztlich ungelöst bleiben, sei hier nicht verletzt. Denn der vorliegende Interessenkonflikt sei im nachfolgenden Genehmigungsverfahren sachgerecht zu lösen gewesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.