Vorläufiges „Aus“ für ein Bauvorhaben: In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ordnete das Verwaltungsgericht Karlsruhe die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Nachbarn gegen die Baugenehmigung an. Der geplante Bau – ein sechsgeschossiges Wohnhaus in Hanglage mit 12 Wohnungen – verletze nachbarschützende Bestimmungen des öffentlichen Baurechts. Aller Voraussicht nach halte er die notwendigen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück nicht ein. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ging das Gericht von Rücksichtslosigkeit aus. Im Vergleich zu den umliegenden Wohnhäusern sei das Vorhaben außerordentlich groß, massiv und hoch. Südlich in Hanglage gelegen führe es zu erheblicher Verschattung des Nachbargrundstücks und entfalte eine erdrückende Wirkung. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies eine gegen den Beschluss gerichtete Beschwerde zurück.
Geplant war der Neubau eines Mehrfamilienhauses mit zwölf Wohnungen in Hanglage. Talseitig wären dabei, einschließlich Tiefgarage und Penthouse, sechs Stockwerke erkennbar. Entlang der Straße befinden sich bisher weitere Wohnhäuser geringerer Höhe. Nachdem die Baurechtsbehörde die Baugenehmigung – einschließlich dreier Änderungsgenehmigungen – erteilt hatte, wurde zwischenzeitlich auch bereits mit Erdaushubarbeiten begonnen. Die von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretenen Eigentümer eines Nachbargrundstücks legten Widerspruch ein und stellten beim Verwaltungsgericht Karlsruhe den Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht entsprach diesem Antrag. Nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung verletze das Bauvorhaben nachbarschützende Bestimmungen des öffentlichen Baurechts. Hierbei verwies das Gericht zum einen auf voraussichtlich nicht eingehaltene Abstandsflächen, zum anderen auf Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber den Nachbarn in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung.
Hinsichtlich der Abstandsflächen rügte das VG, dass diese ohne nähere Erklärung von unterschiedlichen Bezugspunkten gemessen worden waren. Die teils vom Bezugspunkt „Penthouse“ gemessenen Abstände berücksichtigten nicht, dass die unterhalb gelegenen Außenwände des Neubaus näher an der Grenze zum Nachbargrundstück liegen sollten. Diese Außenwände seien aber nach § 5 Abs. 6 LBO nicht unbeachtlich, denn es handle sich weder um ein untergeordnetes Bauteil, noch um einen „Vorbau“, sondern um einen Teil des Hauptgebäudes.
In Bezug auf das Bauplanungsrecht verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass sich die Nachbarn zwar weder auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs noch des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs berufen konnten. Das Vorhaben liege im Innenbereich und füge sich der Art nach als Wohngebäude in die nähere Umgebung ein, in der schon mehrere mehrgeschossige Wohngebäude vorhanden sind. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung bejahte das Gericht allerdings eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens. Zur Ermittlung, ob eine „erdrückende Wirkung“ eines Gebäudes entsteht, seien kumuliert die Höhe des Gebäudes, die Höhe des Vorhabengrundstücks, eine Hanglage und Abstände zum Nachbarn zu berücksichtigen. Im Vergleich zu den umliegenden Wohnhäusern sei das Vorhaben mit den zur Straßenseite erkennbaren sechs Etagen, seiner großen Grundfläche und einem ebenfalls großen umbauten Raum außerordentlich groß, massiv und hoch. Die umliegende Bebauung weise eine wesentlich geringere Höhe, Geschosszahl und Grundfläche auf. Dass die beiden oberen Stockwerke nach hinten versetzt gebaut werden sollten, dürfe an dem massiven Eindruck nichts ändern. Gerade bei einer Bebauung in Hanglage seien regelmäßig, insbesondere in Bezug auf die Gebäudehöhe, relative Spannungen zu erwarten. Im vorliegenden Fall liege das Baugrundstück südlich und dürfte das Nachbargrundstück in nicht unerheblichem Maße verschatten. Auch aufgrund der Massivität – es entstehe der Eindruck, dass der Neubau diagonal über dem Nachbargebäude „thront“ – sah das Gericht eine erdrückende Wirkung.
Eine Beschwerde der Bauherren beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg blieb ohne Erfolg. Dieser bestätigte die Sicht des VG, und zwar sowohl in Bezug auf die Abstandsflächen – auch in der Beschwerde sei nicht dargelegt worden, dass die gebotenen Abstände eingehalten würden – wie auch hinsichtlich der Frage der Rücksichtslosigkeit.
Der Beschluss ist rechtskräftig.