Gemeindliches Einvernehmen zu Unrecht ersetzt: Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße befand, dass die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Das Bauvorhaben auf einem innerörtlichen Grundstück beinhaltete einen Freilauf für Pferde. Im Widerspruchsverfahren erteilte der Kreisrechtsausschuss unter Ersetzung des zuvor von der Ortsgemeinde versagten Einvernehmens einen positiven Bescheid. Die nähere Umgebung stellte aber weder Dorfgebiet noch Gemengelage mit nachwirkendem Dorfgebietscharakter, sondern ein faktisches allgemeines Wohngebiet dar. Dort aber ist Pferdehaltung unzulässig – und damit der Kreis nicht berechtigt, das versagte Einvernehmen zu ersetzen.
Die von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Ortsgemeinde konnte geltend machen, durch die Erteilung des Bauvorbescheids in ihrer nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz geschützten Planungshoheit verletzt zu sein. Das Bauvorhaben lag im unbeplanten Innenbereich der Gemeinde und über die Zulässigkeit des Vorhabens konnte die Baugenehmigungsbehörde – der Kreis – nur im Einvernehmen mit der Gemeinde entscheiden. Die vom Kreis vorgenommene Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens kommt aber nur in Frage, wenn die Gemeinde das Einvernehmen rechtswidrig versagt hat. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Der Kreisrechtsausschuss ging zu Unrecht davon aus, eine Pferdehaltung füge sich in die maßgebliche dörflich geprägte Umgebung mit verbliebenen Hofstellen ein.
Ausführlich und unter Durchführung einer Ortsbesichtigung befasste sich das Verwaltungsgericht mit der Frage, welchen Charakter die „nähere Umgebung“ des Vorhabens hatte. Nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht diese erstens so weit, wie sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens so weit, wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Diese Grenzen lassen sich nicht schematisch festlegen. Der Grenzverlauf ist dort zu ziehen, wo zwei jeweils einheitliche geprägte Bebauungskomplexe mit verschiedener Bau- und Nutzungsstruktur aufeinander treffen; hierbei haben künstliche oder natürliche Trennlinien (z.B. Straße, Schiene, Gewässer) nicht stets eine trennende Funktion. Umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind.
Im vorliegenden Fall kam § 34 Abs. 2 BauGB i.v.m. § 4 BauNVO zur Anwendung. Demnach beurteilt sich die Zulässigkeit eines Vorhabens, wenn die nähere Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht, nach seiner Art allein danach, ob es in dem Baugebiet zulässig wäre. Nach den Feststellungen des Gerichts enthielt die maßgebliche Umgebung ausschließlich (nur noch) bauliche Elemente, die faktisch einem allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen waren. Die im Ort vorhandenen Nebenerwerbswinzerbetriebe sowie eine Hühnerhaltung und ein Milchviehbetrieb lagen außerhalb der näheren Umgebung und hatten daher bei der Beurteilung des Vorhabens außer Betracht zu bleiben. In der Umgebung verbliebene ehemalige landwirtschaftliche Nebengebäude waren nicht geeignet, den Charakter eines Dorfgebiets oder als Gemengelage aus Wohn- und Dorfgebiet mit nachwirkendem Dorfgebietscharakter herzustellen.
Damit war eine Pferdehaltung nicht zulässig, denn nach einhelliger Meinung entspricht die Haltung von Pferden grundsätzlich nicht der Eigenart eines allgemeinen Wohngebiets. Eine Ausnahme, wie etwa eine Lage direkt am Ortsrand, war nicht gegeben. Daraus folgte, dass der Kreisrechtsausschuss nicht berechtigt war, das versagte Einvernehmen zu ersetzen. Das Urteil ist rechtskräftig.