Nachdem der Bebauungsplan einer Gemeinde wegen offenkundlicher und beachtlicher Verfahrensfehler nichtig war, war für das bereits begonnene Vorhaben eines Bauträgers die Nutzung des Kenntnisgabeverfahrens nicht möglich. Vielmehr bedurfte es für die Erteilung eines Baufreigabescheines zunächst einer Baugenehmigung. Da diese nicht vorlag, erachtete das Verwaltungsgericht Karlsruhe die vom zuständigen Landratsamt mit Sofortvollzug verfügte Baueinstellung für rechtens und lehnte den Antrag des Bauträgers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab.
In einem vorausgehenden Eil-Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg wurde der Bebauungsplan der Gemeinde einstweilen außer Kraft gesetzt. Zugleich hatte der VGH in diesem Beschluss dargelegt, dass sich die dortigen Antragsteller auf ihren Gebietserhaltungsanspruch und die Schutzbedürftigkeit der gegenwärtigen gewerblichen Nutzungen, also auf nachbarschützende Bestimmungen, berufen können. Diese Feststellung wurde im vorliegenden Verfahren herangezogen.
Das Verwaltungsgericht zog in Anbetracht dieser Konstellation nämlich den Schluss, dass das Ermessen der Baurechtsbehörde dahingehend reduziert war, dass nur der Erlass einer Baueinstellungsverfügung die einzig rechtmäßige Entscheidung darstellte. In der vorliegenden Fallgestaltung – der Bauherr errichtet sein Vorhaben im Kenntnisgabeverfahren und der Nachbar hält den Bebauungsplan für nichtig – erfordert nach Rechtsprechung des VGH BadenWürttemberg das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung zugunsten des Nachbarn bereits dann, wenn das Vorhaben gegen öffentlich-rechtliche nachbarschützende Vorschriften verstößt und hierdurch Belange des Nachbarn mehr als nur geringfügig berührt werden. Hätte das Landratsamt die angegriffene Baueinstellungsverfügung nicht erlassen, wäre es hierzu durch eine einstweilige Anordnung zu verurteilen gewesen, wenn die Nachbarn dies begehrt hätten.
Das Gericht verneinte auch ein schützenswertes Vertrauen des Bauträgers. Dieser musste mit einer Baueinstellungsverfügung nämlich aufgrund der dargelegten Rechtsprechung rechnen. Außerdem habe er unter Verstoß gegen das geltende Recht mit dem Bauvorhaben begonnen. In jeder Bauvorlage befand sich eine Erklärung, dass die Bestätigung unter dem Vorbehalt gilt, dass die gesondert beantragte Abweichung von Abstandsflächen gewährt wird. Da diese bis zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht erteilt war, war es dem Bauträger untersagt, mit der Bauausführung zu beginnen.
Auch eine Berufung auf den Bestandsschutz erkannte das Verwaltungsgericht in diesem Fall nicht an. Dies, weil es um eine Baueinstellungs- und nicht um eine Abbruchs- oder Nutzungsuntersagungsverfügung ging; im Übrigen setze Bestandsschutz voraus, dass das errichtete Vorhaben materiell rechtmäßig errichtet wurde. Dem stand schon die Nichtigkeit des Bebauungsplanes entgegen. Das Urteil ist rechtskräftig.