Erhebliche Konsequenzen für die Bauherren hat ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe: Es bestätigt eine Entscheidung der Baurechtsbehörde, die den Rückbau eines zuvor umgebauten Gebäudes angeordnet hatte. Zu reduzieren sind Trauf- und Firsthöhe sowie insbesondere die östliche Gebäudeseite, die auf die Grenze gebaut wurde und nunmehr auf die gesetzliche Abstandsfläche anzupassen ist. Das Grundstück war zuvor geteilt worden und gehört noch denselben Eigentümern, die zwischenzeitlich auch auf dem anderen Grundstücksteil ein Gebäude errichtet hatten. Das Gericht sah keine Ausnahmetatbestände gegeben, wonach auf die Abstandsflächen verzichtet werden könnte. Dass die Bauherren Eigentümer beider Grundstücke sind, ändere daran nichts. Wären nämlich bei Eigentümeridentität die Abstandsflächen nicht einzuhalten, so würden bei späterem Eigentümerwechsel entgegen § 8 Abs. 1 LBO Verhältnisse geschaffen, die den baurechtlichen Vorschriften widersprechen. Einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ab.
Auf einem Grundstück im unbeplanten Innenbereich befand sich ein – ursprünglich in den 1950er Jahren errichtetes – Wohnhaus mit Nebengebäude, für das 2018 die Genehmigung zum Um- und Ausbau des Dachgeschosses erteilt wurde. Auf demselben Grundstück wurde 2020 der Neubau eines Einfamilienhauses genehmigt. Danach wurde das Grundstück geteilt. Die Baurechtsbehörde stellte später fest, dass das Nebengebäude teilweise abgebrochen und ohne Genehmigung in ein größeres Wohngebäude umgebaut worden war, nun grenzständig zu dem - durch die Teilung entstandenen - Nachbargrundstück. Einen nachträglichen Bauantrag lehnte die Behörde ab und ordnete zugleich an, dass das Nebengebäude dauerhaft so zu reduzieren sei, dass die Abstandsflächen im erforderlichen Maß von 2,50 m zum Nachbargrundstück eingehalten seien. Auch First- und Traufhöhe seien zu reduzieren. Sie verwies darauf, dass kein Bestandsschutz bestehe. Ausnahmen hinsichtlich der Abstandsflächen (wie durchgehend grenzständige Bauweise, Sicherung durch Baulast) lägen nicht vor. Im Widerspruchsverfahren machte die Widerspruchsbehörde ergänzend geltend, dass sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Umgebung einfüge.
Das daraufhin mit der Klage befasste Verwaltungsgericht Karlsruhe befand, dass kein Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung besteht und sich auch die Rückbauverfügung der von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretenen Behörde als rechtmäßig darstelle. Vor dem Gebäude lägen in östlicher Richtung keine Abstandsflächen auf dem Grundstück. Diese seien hier jedoch nicht entbehrlich. Denn weder müsse gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LBO planungsrechtlich an die Grenze gebaut werden, noch sei gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LBO öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück auf die Grenze gebaut wird. Eine Übernahme von Abstandsflächen auf das Nachbargrundstück nach § 7 S. 1 LBO durch Abstandsflächenbaulast sei wegen des Überdeckungsverbots ebenfalls nicht möglich.
Eine Zulassung geringerer Abstandsflächen nach § 6 Abs. 3 S. 1 LBO scheitere daran, dass nachbarliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Dass die Bauherren derzeit zugleich Eigentümer des Nachbargrundstücks sind, führe zu nichts Anderem. Nachbarliche Belange seien nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit den Belangen des (derzeitigen) konkreten Nachbarn. Wären wegen (momentaner) Eigentümeridentität Abstandsflächen nicht einzuhalten, so würden spätere bauordnungswidrige Zustände provoziert.
Das Verwaltungsgericht stellte - nach einer Inaugenscheinnahme - darüber hinaus fest, dass das Vorhaben sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfüge. Die Baumasse würde erheblich anwachsen und unter kumulativer Berücksichtigung der Maßfaktoren eine Bebauung entstehen, die in ihrer Dichte kein Vorbild in der näheren Umgebung habe. Eine Genehmigung dieses Bauvorhabens würde die Gefahr heraufbeschwören, dass der gegebene Zustand in der näheren Umgebung in negativer Richtung in Bewegung gebracht wird.
Die Abbruchsanordnung sei rechtmäßig, da im vorliegenden Fall kein Bestandsschutz greife. Das Bauvolumen sei wesentlich erweitert worden (große Teile der Seitenwände im OG und komplett neuer Dachstuhl), so dass nicht mehr von einer Identität der Bauwerke gesprochen werden könne. Es entspreche auch ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung der Behörde, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Wer ohne Genehmigung ein Gebäude errichtet, hat das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen. Jeder Bauherr hat die Möglichkeit, seine Investition dadurch zu sichern, dass er sich vorab eine Baugenehmigung bzw. einen Bauvorbescheid erteilen lässt.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg lehnte den Antrag der Bauherren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil ab. Er verneinte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Solche sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass ein Erfolg der angestrebten Berufung möglich erscheint. Dies sei hier nicht der Fall. Das Bauvorhaben widerspreche den Vorschriften über Abstandsflächen und füge sich ferner nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Umgebung ein. Eine von den Bauherren beabsichtigte - allerdings noch nicht vorliegende - Vereinigungsbaulast führe nicht zu einer anderen Beurteilung, da das VG eine wesentliche Überdeckung der Abstandsflächen festgestellt habe, woran die Vereinigungsbaulast nichts ändern würde. Auch aus der Erklärung der Bauherren, eine auf 4,50 m reduzierte Trauf- und eine auf 7,00 m reduzierte Firsthöhe zu akzeptieren, ergebe sich nichts anderes. Denn auch dann ergebe sich eine erforderliche Abstandsflächentiefe von mindestens 2,50 m.
Der Beschluss des VGH ist rechtskräftig.