Vorkaufsrecht an Grundstücken im Naturschutzgebiet: Land muss sich nicht auf andere Instrumentarien verweisen lassen

Juli, 2015 in Umweltschutz, Naturschutz und Immissionsschutz

Vorkaufsrecht ermessensfehlerfrei ausgeübt: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat in zwei parallelen Verfahren bestätigt, dass sich das nach § 56 Naturschutzgesetz vorkaufsberechtigte Land Baden-Württemberg nicht auf andere naturschutzrechtliche Instrumente, wie etwa vertragliche Regelungen mit dem privaten Grundstückseigentümer, verweisen lassen muss. Denn diese Instrumente bergen typischerweise strukturelle Nachteile und Risiken. Daher sei es ausreichend, dass das betreffende Grundstück entsprechend den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes vom Land besser erhalten und gestaltet werden kann als dies beim Erwerb durch einen privaten Käufer der Fall wäre.

Ein privater Käufer hatte zwei Grundstücke erworben, die in einem Naturschutzgebietes liegen. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, der im Verfahren durch die Kanzlei Dr. Melchinger vertreten wurde, übte daraufhin im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidium – Höhere Naturschutzbehörde – das dem Land nach § 56 NatSchG eingeräumte Vorkaufsrecht an den jeweiligen Grundstücken aus. Hiergegen erhob der Käufer nach erfolglosem Widerspruch Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe. Er trug vor, dass mit dem Erwerb der Grundstücke keine Nutzungsänderung stattfinden solle und er sich verpflichte, diese nach den Vorgaben der Naturschutzbehörde zu pflegen und zu bewirtschaften.

Ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn die gegenwärtigen oder zukünftigen Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege oder der Erholungsvorsorge es erfordern. Diese ergaben sich im vorliegenden Fall maßgeblich aus dem Schutzzweck und Schutzziel der Naturschutzgebietsverordnung. Dabei ist das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht, wie das Verwaltungsgericht feststellte, nicht subsidiär gegenüber anderen Instrumentarien ausgestaltet, d.h. das Land muss sich selbst bei unterstellter Gleichwertigkeit nicht vom Erstkäufer auf ein anderes Instrumentarium – namentlich den Vertragsnaturschutz – verweisen lassen. Es reicht aus, dass das Grundstück entsprechend den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes besser erhalten und gestaltet werden kann als dies bei einem Erwerb durch Private der Fall wäre. Dazu führte das Gericht weiter aus, dass vertragliche Regelungen typischerweise strukturelle Nachteile aufwiesen wie z.B. mögliche Unstimmigkeiten über die Vertragsauslegung. Auch verlange dies mindestens stichprobenartige Kontrollen. Eine dauerhafte, nachhaltige und konfliktfreie Durchführung der erforderlichen landschaftspflegerischen Maßnahmen im Wege des Vertragsnaturschutzes berge Risiken. Nach dieser Maßgabe sei die Ausübung des Vorkaufsrechts erforderlich gewesen.

Die Grundstücke befanden sich zudem in einem FFH-Gebiet vom FFH-Lebensraumtyp 6510 und im Lebensraum einer geschützten Tragfalterart. Dies erforderte besondere Pflegemaßnahmen. Das staatliche Eigentum hat in solchen Fällen, wie das Gericht betonte, den Vorteil, dass auch Optimierungsmaßnahmen durchgeführt werden können, ohne dass dem entgegenstehende Eigentümerinteressen entgegengehalten werden können.

Schließlich legte das Verwaltungsgericht dar, dass das Land auch nicht dadurch an der Ausübung des Vorkaufsrechts gehindert war, weil zuvor die Flurbereinigungsbehörde kein Interesse am Erwerb bekundet hatte. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau habe von einem Kaufangebot erstens nichts gewusst und konnte zweitens das Vorkaufsrecht ohnehin erst nach Abschluss eines notariellen Vertrages ausüben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.