Unter den Begriff eines Wohngebäudes fallen auch Heime für betreuungs- und pflegebedürftige Personen, wenn die Kriterien der Freiwilligkeit und Dauerhaftigkeit des Aufenthalts sowie ein Mindestmaß an häuslicher selbstbestimmter Lebens- und Haushaltsführung erfüllt sind. Nach diesen Maßstäben sah das Verwaltungsgericht Karlsruhe im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch durch ein im allgemeinen Wohngebiet genehmigtes Wohnheim für Menschen mit Behinderung und wies die im Eilverfahren gestellten Anträge eines Nachbarn ab. Auch konnte das Gericht aus der Zahl der genehmigten Wohneinheiten und Stellplätze keinen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften ableiten. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot (u.a. eine etwaige "erdrückende Wirkung" des Bauvorhabens) wurde ebenfalls verneint.
Die von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Stadt hatte für ein in einem allgemeinen Wohngebiet liegendes Grundstück die Genehmigung zum Bau eines Wohnheimes für Menschen mit Behinderung erteilt. Vorgesehen waren vier Wohngruppen mit 26 dauerhaften Bewohnern. Die Eigentümer eines (außerhalb des Plangebiets gelegenen) Nachbargrundstücks wandten sich an das Verwaltungsgericht Karlsruhe und begehrten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen das Vorhaben.
Zunächst legte das Verwaltungsgericht dar, dass die Anträge überhaupt nur insoweit als zulässig anzusehen waren, wie sie sich gegen den die Nutzung des Bauvorhabens gestattenden Inhalt der Baugenehmigung wandten. Hinsichtlich der Errichtung des genehmigten Gebäudes dagegen fehlte ein Rechtsschutzinteresse, da der Rohbau bereits errichtet war und insoweit die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung keinen Vorteil mehr hätte bringen können.
Im Hinblick auf den Gebietserhaltungsanspruch machte das Verwaltungsgericht deutlich, dass Drittschutz für Grundstücke außerhalb des maßgeblichen Plangebiets (wie im vorliegenden Fall) nur dann in Frage kommt, wenn die Festsetzungen nach dem Willen des Plangebers auch Eigentümern außerhalb des Plangebiets Drittschutz vermitteln sollen. Dergleichen ließ sich hier aber nicht aus dem Plan entnehmen. Selbst wenn man aber einen solchen Gebietserhaltungsanspruch annehmen würde, läge keine Verletzung vor. Zu den im allgemeinen Wohngebiet zulässigen Wohngebäuden gehören alle zum Wohnen bestimmten Anlagen; der Begriff ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet. Dies bejahte das VG für das geplante Wohnheim, da jeder Bewohner über ein eigenes Zimmer verfügen soll und sich insoweit privat entfalten kann. Schlussendlich wäre aber sogar dann, wenn man das Wohnheim nicht als Wohngebäude, sondern als „Anlage für soziale Zwecke“ betrachten würde, eine allgemeine Zulässigkeit im Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO gegeben.
Hinsichtlich der Zahl der Wohneinheiten wurde bereits in dem Bebauungsplan ausdrücklich festgelegt, dass von der festgesetzten Anzahl an Wohneinheiten abgewichen werden kann, sofern ein Behindertenwohnheim errichtet wird. Auch in Bezug auf die Grundflächenzahl wurde eine Überschreitung bereits in den Planfestsetzungen zugelassen.
Das VG Karlsruhe befand darüber hinaus, dass das Bauvorhaben nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Das ergebe sich weder aus etwaigen Einsichtsmöglichkeiten auf das Nachbargrundstück – solche gehörten in bebauten innerörtlichen Bereichen zur Normalität – noch aus der Stellplatzsituation. Die Zahl der herzustellenden Stellplätze überschreite sogar die nach der VwV Stellplätze vorgeschriebene Mindestzahl. Sie befänden sich zudem weit vom Nachbargrundstück entfernt und die Zufahrt läge in einer anderen Straße. Auch An- und Abfahrtsverkehr sei hinzunehmen.
Schließlich verneinte das Gericht auch eine mögliche „erdrückende Wirkung“ des Bauvorhabens. Eine auf das Nachbargrundstück ausgehende qualifizierte handgreifliche Störung aufgrund Massivität und Lage sei hier nicht gegeben. Die Abstände zum Nachbargrundstück gingen sogar über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Nicht durchdringen konnten die Nachbarn auch mit ihrer Kritik am Standort der Müllbehälter und an der Entwässerungssituation. Eine Müllsammelstelle sei grundsätzlich auch in der Nähe der Grundstücksgrenze hinzunehmen; Bauherren seien nicht verpflichtet, die für die Nachbarn günstigste Lösung zu wählen. Etwaigen Geruchsbelästigungen könne – falls sie wider erwarten in erheblichem Maß auftreten sollten – mit Auflagen begegnet werden. Die Entwässerung wiederum werde entsprechend den Vorgaben der Fachbehörden ausgeführt.
Der Beschluss ist rechtskräftig.