Grenzbebauung bleibt unzulässig: Aufhebung der Baugenehmigung rechtmäßig

November, 2018 in Bauen und gewerbliche Anlagen, Bauleitplanung und Fachplanung

Keine Aussicht auf Verwirklichung der geplanten Grenzbebauung: Im Zusammenhang mit der 1971 zugunsten eines Nachbargrundstücks erklärten Abstandsbaulast (siehe Fall „Abstandsbaulast aus dem Jahr 1971 bleibt wirksam“) entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nun auch über die Frage der Aufhebung der Baugenehmigung. Im Gegensatz zur Vorinstanz befand der VGH die vom Landratsamt verfügte Aufhebung für rechtmäßig, weil die Baugenehmigung die Nachbarn in ihren Rechten verletzte. Grund: die geplante Grenzbebauung widersprach der in der Baulast übernommenen Verpflichtung, bestimmte Abstände zum Nachbargrundstück einzuhalten. Diese Erklärung sei rechtswirksam und solche Baulasten zudem auch im Rahmen eines vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach § 52 LBO von der Behörde zu prüfen.

Auch eine 2017 nachträglich abgegebene weitere Baulast – formuliert als Verpflichtung, an das Nachbargrundstück anzubauen – konnte letztlich nicht bewirken, dass der von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Bauherr doch noch eine Bebauung bis zur Grundstücksgrenze hätte realisieren können. Es sei, so der VGH, nicht davon auszugehen, dass nun eine Baulast mit dem Inhalt bestehe, alternativ entweder einen Abstand einzuhalten oder aber anzubauen. Vielmehr sei die neue Baulast unwirksam, da sie mit der früher übernommenen kollidiere.

Hinsichtlich der Wirksamkeit der Baulast aus dem Jahr 1971 verwies der Verwaltungsgerichtshof auf seinen Beschluss vom August 2018. Zwar fehle der Eintrag in das Baulastenverzeichnis, dies stehe jedoch einer Wirksamkeit nicht entgegen, da ein solcher Eintrag nur deklaratorisch sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts befand der VGH, dass die Baulast auch im Rahmen eines vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach § 52 LBO zu berücksichtigen war. Zwar sei der Regelungsinhalt einer im vereinfachten Verfahren erteilten Baugenehmigung grundsätzlich auf das materielle Prüfprogramm des § 52 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 LBO beschränkt. Damit ist das Bauordnungsrecht – mit Ausnahme der Abstandsflächenbestimmungen – im vereinfachten Verfahren nicht von Bedeutung. Eine auf die Regelungen der §§ 5 bis 7 LBO bezogene Baulast gehört allerdings zum Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens, auch wenn der Wortlaut von § 52 Abs. 2 nicht auf § 71 LBO verweist. Würde man jedoch Baulasten nach § 71 LBO gänzlich vom Prüfprogramm für ausgeschlossen halten, wären damit auch Baulasterklärungen mit bauplanungsrechtlichem Inhalt ausgeschlossen. Dies widerspräche aber dem Sinngehalt der Vorschrift. Der VGH nahm dabei auch die Gesetzesbegründung mit in den Blick. Danach wurden die Abstandsflächenvorschriften der §§ 5 bis 7 LBO in das Prüfprogramm des vereinfachten Genehmigungsverfahrens aufgenommen, weil die Einhaltung dieser Vorschriften in der Praxis aufgrund divergierender Nachbarinteressen sehr streitbehaftet ist und daher nicht der Eigenverantwortlichkeit des Bauherrn überlassen werden sollte. Die Verletzung einer Abstandsflächenbaulast sei aber einer Verletzung der Vorschriften über Abstandsflächen gleichzusetzen.

Unter Modifikationen kann der Bauherr jedoch wohl bauen: Der VGH wies auch darauf hin, dass die 1975 vom damaligen Grundstückseigentümer zu Gunsten eines anderen Nachbargrundstücks erklärte Baulast durch das geplante Vorhaben nicht verletzt werde. Diese zweite Baulast wurde damals ausschließlich im Zusammenhang mit einem konkreten Bauvorhaben des Nachbarn (Erweiterungsbau im hinteren Grundstücksteil) abgegeben und ist daher so auszulegen, dass sie sich alleine auf den maßgeblichen hinteren Bereich des Grundstücks bezieht. Sie verhindert eine geplante Grenzbebauung zu dieser Seite hin im vorderen Grundstücksteil nicht.

Das Urteil ist rechtskräftig.