Weder bauplanungs- noch bauordnungsrechtliche Vorschriften standen dem beantragten Umbau eines Bestandsgebäudes zu einem Boardinghouse entgegen, weshalb im vorliegenden Fall das Verwaltungsgericht Freiburg die Baurechtsbehörde verpflichtete, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen. Insbesondere war dabei maßgeblich, dass die nach Einreichung des Bauantrags im Jahr 2019 vom Gemeinderat beschlossene und 2021 um ein Jahr verlängerte Veränderungssperre zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung außer Kraft getreten und keine weitere Verlängerung beschlossen worden war. Das Gericht befand, dass sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung – hier: Dorfgebiet – einfüge; ein Boardinghouse dieser Art sei dort zulässig. Auch aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ergebe sich in diesem Fall keine Unzulässigkeit.
Der von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Eigentümer eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks beantragte im Sommer 2019 eine Genehmigung für den Umbau und die Erweiterung des Gebäudes zu einem Boardinghouse. Die Planung sah u.a. vor, einen Schuppen abzubrechen und ein Treppenhaus anzubauen. Anstatt vormals drei Wohneinheiten sollten nun zehn möblierte Einheiten entstehen, die mit einer Mietdauer von einer Woche bis sechs Monate vermietet werden sollten.
Der Ortschaftsrat des betroffenen Stadtteils sprach sich in der Anhörung gegen das Vorhaben aus. Zwei Monate später beschloss der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das betreffende Gebiet sowie eine Satzung über eine Veränderungssperre. Daraufhin lehnte die Baurechtsbehörde den Bauantrag ab; zur Begründung verwies sie insbesondere auf die Sperrwirkung der Veränderungssperre. Das Vorhaben entspreche nicht den Planungszielen. Nach erfolglosem Widerspruch reichte der Eigentümer Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg ein.
Das VG stellte in seinem Urteil fest, dass sich vorliegend ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung ergebe. Zunächst seien in formeller Hinsicht alle Verfahrensvorschriften beachtet worden. Selbst wenn im Rahmen der Beteiligung des Ortschaftsrates Verfahrensfehler unterlaufen sein sollten, ändere dies nichts daran, dass eine Anhörung erfolgt sei. Da hier die Gemeinde als Große Kreisstadt selbst Baurechtsbehörde sei, bedürfe es nicht des „eigenen“ Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB.
Auch in materieller Hinsicht standen im vorliegenden Fall, wie das Gericht ausführte, keine bauplanungsrechtlichen Vorschriften entgegen, insbesondere keine Veränderungssperre mehr. Eine solche wurde zwar 2019 beschlossen und 2021 verlängert und auch jeweils ortsüblich bekannt gemacht. Allerdings wurde sie nach – von der Stadt unwidersprochener – Aktenlage dann im Jahr 2022 nicht weiter verlängert. Auch über den im Sommer 2022 öffentlich ausgelegten Bebauungsplan wurde bisher kein Beschluss gefasst und dieser nicht als Satzung beschlossen und inkraftgesetzt. Somit war für das im Innenbereich liegende Grundstück die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB zu beurteilen.
Hierzu führte das Verwaltungsgericht aus, die Eigenart der näheren Umgebung (hier u.a. mit zehn landwirtschaftliche Betrieben, zwei Gewerbebetrieben und Wohnbebauung) entspreche einem Dorfgebiet nach § 5 BauNVO. Dort seien u.a. „sonstige Wohngebäude“ und „Betriebe des Beherbergungsgewerbes“ zulässig. Ein Boardinghouse stelle eine nicht näher geregelte Übergangsform zwischen Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb dar, wobei die schwerpunktmäßige Zuordnung einzelfallabhängig sei. Gemessen an dem hier vorliegendem Konzept (Mieter ausschließlich Selbstversorger, keine Rezeption oder Gemeinschaftsräume) sah das Gericht das Vorhaben als Wohngebäude an.
Auch über § 15 BauNVO ergab sich aus gerichtlicher Sicht keine Unzulässigkeit. Die Baugenehmigungsbehörde dürfe über diese Vorschrift keine Planungsentscheidungen der Gemeinde korrigieren oder einen unzureichend dokumentierten Planungswillen nachholen. Eine Unzulässigkeit im Einzelfall könne vorliegen, wenn die bauliche Anlage nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspreche. Dies wurde hier jedoch im Hinblick auf die geplanten zehn Wohneinheiten verneint. Auch die Kfz-Stellplätze oder Einsichtnahmemöglichkeiten auf Nachbargrundstücke durch zusätzliche Fenster führten nicht zu unzumutbaren Belästigungen oder Störungen. Auch das Maß der baulichen Nutzung füge sich in die nähere Umgebung ein, denn die äußeren Gebäudemaße – vom Treppenhausanbau abgesehen – blieben im Wesentlichen unverändert. Bauordnungsrechtlich stehe dem Vorhaben ebenfalls nichts entgegen. Das Gericht stellte im Übrigen fest, dass die Sache spruchreif sei und daher die Behörde zum Erlass des Verwaltungsaktes verpflichtet werde; soweit noch im Detail Regelungsbedarf bestehe, sei der Behörde dies über Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung möglich.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.