Eine zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wirksame Veränderungssperre kann ein Bauprojekt verhindern, welches vor deren Erlass hätte genehmigt werden müssen. Ausgenommen sind nur Vorhaben, die bereits zuvor genehmigt wurden. Wurde dagegen eine Genehmigung vor Erlass der Veränderungssperre zu Unrecht versagt, kann diese später dennoch dem Vorhaben entgegengehalten werden. Auch kann eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 S. 1 BauGB nur erteilt werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Wenn aber das Vorhaben den Zielen der Planung und dem Sicherungszweck der Veränderungssperre zuwiderläuft, darf keine Ausnahme zugelassen werden. Im vorliegenden, vom Verwaltungsgericht Karlsruheentschiedenen Fall konnte der Eigentümer deshalb die geplante Umnutzung einer ehemaligen Gaststätte in Wohnraum nicht realisieren.
Der von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Eigentümer beabsichtigte, u.a. die im Erdgeschoss seines Gebäudes liegenden ehemaligen - seit sieben Jahren nicht mehr als solche genutzten - Gaststättenräume zu Wohnraum umzubauen und reichte im Sommer 2018 einen entsprechenden Bauantrag ein. Zur selben Zeit beschloss der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplanes und in gleicher Sitzung eine Veränderungssperre für das Plangebiet. Insbesondere sollte mit neuer städtebaulicher Konzeption der Ortskern entwickelt und mit zentralen Funktionen angereichert sowie die Nutzung als Geschäftsstandort verbessert werden durch die verpflichtende Vorgabe von Dienstleistung und Einzelhandel in Erdgeschosszonen und Wohnen nur darüber.
Der zuständige Ausschuss entschied, keine Ausnahme von der Veränderungssperre zuzulassen und verweigerte das gemeindliche Einvernehmen, woraufhin im Oktober 2018 das Landratsamt den Bauantrag ablehnte. In seinem Widerspruch machte der Bauherr u.a. geltend, es fehle an einem wirksamen Planaufstellungsbeschluss und einer hinreichenden Konkretisierung der Planvorstellungen wie z.B. hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung. Im Mai 2019 wurde vom Gemeinderat ein Entwurfsplan/ Entwicklungskonzept und im Juni eine neue Veränderungssperre beschlossen. Im September lehnte das Regierungspräsidium den Widerspruch ab.
Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Bauherr keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung hat. Für die Frage, ob dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Juni 2021) maßgeblich. Daher komme es auf die Frage, ob die ursprüngliche Veränderungssperre vom August 2018 dem Vorhaben entgegenstehe, nicht an, sondern allein auf die neue, im Juli 2019 erlassene und 2020 verlängerte Veränderungssperre. Dieser Aufstellungsbeschluss sei rechtmäßig und wirksam bekanntgemacht. Gründe für eine Unwirksamkeit dieser Veränderungssperre, wie z.B. eine reine „Verhinderungsplanung“ oder einen nicht im Mindestmaß absehbaren künftigen Planinhalt, sah das VG nicht. Unmittelbar vor Erlass der Veränderungssperre 2019 habe die Gemeinde ein Entwicklungskonzept beschlossen, das auch den Baugebietstyp (hier: Urbanes Gebiet) festgelegt habe. Dies sei erforderlich und zugleich ausreichend.
Das Ziel, Wohnnutzung im Erdgeschoss auszuschließen, sei – jedenfalls bezogen auf die Räume an der Straßenseite – durch eine Festsetzung nach § 6a Abs. 4 Nr. 1 BauNVO erreichbar. Eine solche vertikale Gliederung, d.h. in bestimmten Geschossen bestimmte Nutzungen als zulässig oder unzulässig zu definieren, wie dies in einem Urbanen Gebiet möglich ist, muss städtebaulich begründet sein. Dies war hier im Rahmen des Entwicklungskonzepts erfolgt. Eine Abwägung der Interessen sei dagegen erst im Rahmen des späteren Bebauungsplanverfahrens zu prüfen.
Eine Veränderungssperre umfasst auch Bauprojekte, die vor ihrem Erlass hätten genehmigt werden müssen. § 14 Ab. 3 BauGB nimmt nur Vorhaben aus, die bereits zuvor genehmigt wurden. Wurde die Genehmigung dagegen vor Erlass der Veränderungssperre zu Unrecht versagt, kann Letztere trotzdem dem Vorhaben entgegengehalten werden. Stehen überwiegende öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen, ist auch keine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 S. 1 BauGB möglich. Im vorliegenden Fall würde, so das Verwaltungsgericht, die Verwirklichung der Planung durch eine Umnutzung des Erdgeschosses in Wohnräume wesentlich erschwert. Die Frage eventueller Schadensersatzansprüche wegen Nichterteilung der Baugenehmigung vor Erlass der Veränderungssperre 2019 müsse vor dem zuständigen Zivilgericht verfolgt werden. Das VG sah kein Präjudizinteresse, hierzu im vorliegenden Verfahren Feststellungen zu treffen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei alleine die Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre 2019, wohingegen für die Frage eines Schadensersatzanspruchs die Wirksamkeit der Veränderungssperre von 2018 entscheidend sei.
Das Urteil ist rechtskräftig.