Geplante Windkraftanlagen in einem Wasserschutzgebiet: Unter anderem mit dem Verweis auf die dort vorliegenden besonderen hydrogeologischen Verhältnisse und die Tatsache, dass es sich um eine wichtige Trinkwasserquelle mit überregionaler Bedeutung handle, hatte zunächst das Verwaltungsgericht Kassel im Oktober 2020 die behördliche Entscheidung bestätigt, keine Befreiungen von der Wasserschutzgebietsverordnung für den Bau der Anlagen zu erteilen. Die Berufung hiergegen war insoweit erfolgreich, als der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Behörde verpflichtete, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Befreiung von den Verboten der Wasserschutzgebietsverordnung neu zu entscheiden, soweit dies die baugrundseitigen Erkundungsarbeiten betrifft. Im Übrigen jedoch blieb die Berufung ohne Erfolg, weil das Gericht feststellte, dass hinsichtlich Errichtung und Betrieb der WEA eine solche Befreiung gar nicht separat erteilt werden dürfe; erforderlich sei vielmehr eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 13 BImSchG, in der fachbehördliche Verfahren (also auch Wasserrecht) konzentriert werden.
Eine von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Projektentwicklungsgesellschaft beabsichtigt den Bau von bis zu acht Windenergieanlagen im Einzugsgebiet wasserwirtschaftlich genutzter Quellen. Die Obere Wasserbehörde lehnte den Antrag auf Erteilung einer Befreiung von diversen Verbotstatbeständen der geltenden Wasserschutzgebietsverordnung zur Errichtung, zum Betrieb und zum späteren Rückbau der Anlagen sowie zur Durchführung von Erkundungsarbeiten ab; die dagegen gerichtete Klage beim Verwaltungsgericht Kassel wurde abgewiesen. Die Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB betreffe nur das Bauplanungsrecht. Die einschlägige Wasserschutzgebietsverordnung verbiete Eingriffe unter der Erdoberfläche. Der Gewässerschutz habe ein hohes Gewicht, ganz besonders beim Grundwasserschutz und Schutz der Trinkwasserversorgung. Das Gericht berief sich angesichts der umfangreichen, technisch schwierigen Fragen auf die vom Bundesverwaltungsgericht zum Atomrecht entwickelten Grundsätze und sprach der Genehmigungsbehörde analog hierzu einen Abschätzungsspielraum zu, dessen gerichtliche Prüfung auf eine Willkürkontrolle beschränkt sei. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei die erfolgte Ablehnung nicht willkürlich, sondern von sachlichen Gründen (hier insb. mit Verweis auf die hydrogeologischen Verhältnisse) getragen.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof verpflichtete im Berufungsverfahren die Behörde, über eine Befreiung von den Vorschriften der Wasserschutzgebietsverordnung hinsichtlich der Durchführung baugrundseitiger Erkundungsarbeiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wies er die Berufung zurück.
Die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der Errichtung, des Betriebs und des späteren Rückbaus der Windenergieanlagen begründete der VGH damit, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf eine isolierte wasserrechtliche Befreiung habe. Eine solche dürfe nämlich wegen der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG gar nicht separat erteilt werden und es fehle der Oberen Wasserbehörde somit an der sachlichen Zuständigkeit. Das Unternehmen habe die Möglichkeit, die wasserrechtliche Befreiungsmöglichkeit im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids (§ 9 Abs. 1 BImSchG) klären zu lassen. Anders, so der Verwaltungsgerichtshof, verhalte es sich bei der beantragten Befreiung für die Erkundungsarbeiten. Hierbei handle es sich weder um Anlagenteile oder Verfahrensschritte, die zum Betrieb der WEA notwendig seien, noch um Nebeneinrichtungen, sondern um (reine) Vorbereitungsmaßnahmen. Diese werden nicht von der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG erfasst; somit könne über diesen Antrag in einem isolierten wasserrechtlichen Verfahren entschieden werden.
Ein Anspruch auf Erteilung der Befreiung für die Erkundung ist indes nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums, wie sie hierfür Voraussetzung wäre, liege nicht vor. Allenfalls würde durch eine Versagung der Befreiung eine ertragreichere Nutzung der Grundstücke als Stellfläche für Windkraftanlagen verhindert; die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG gewährleiste jedoch nicht die einträglichste Nutzung eines Grundstücks. Auch nach § 35 BauGB stehe die Bebaubarkeit von Außenbereichsgrundstücken selbst bei privilegierten Vorhaben unter dem Vorbehalt, dass öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine Sonderprivilegierung für WEA nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz sei in Hessen aktuell nicht mehr gegeben.
Laut VGH besteht jedoch ein Anspruch auf Neubescheidung über den Antrag nach der Ermessensvorschrift des § 52 Abs. 1 S. 2 WHG. Die Frage, ob der Schutzzweck der Wasserschutzgebietsverordnung gefährdet wird, beurteile sich nach dem Besorgnisgrundsatz. Dies bedeutet, jeder auch noch so wenig naheliegenden Wahrscheinlichkeit einer schädlichen Verunreinigung nachzugehen. Anders als die Vorinstanz meine, sei die Prüfung nicht auf eine Willkürkontrolle beschränkt. Das Gericht habe die Kontrolle weitestgehend durchzuführen und sich selbst bei Erreichen von Erkenntnisgrenzen von der Plausibilität der behördlichen Entscheidung zu überzeugen. Nach diesen Maßstäben sei bei den beantragten Erkundungsarbeiten eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers nicht zu besorgen. Dies begründete der VGH ausführlich anhand der gutachterlich dargelegten Bauausführung mittels trockener Rammkernsondierung, bei der Fels nicht durchteuft werden kann. Allein die Möglichkeit einer unsachgemäßen Handhabung oder eines unerkennbaren Materialfehlers, die theoretisch an jedem beliebigen Ort auftreten könnten, könnten nicht als ausreichende Grundlage für ein Verbot herangezogen werden. Gefahren könne zudem durch zusätzliche Auflagen begegnet werden.
Die fehlende Schutzzweckgefährdung sei allerdings lediglich tatbestandliche Voraussetzung für eine behördliche Ermessensausübung, so dass die Behörde im Rahmen dieses Ermessens dennoch die beantragte Befreiung ablehnen könne. Allerdings wies der VGH in diesem Zusammenhang auf die zwischenzeitlich in § 2 EEG ergangene gesetzgeberische Wertung hin, wonach Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegen und nur im Ausnahmefall überwogen werden können. Schließlich sei im Hinblick auf vergleichbare Fälle in besagtem Wasserschutzgebiet auch der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG zu berücksichtigen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.