Zulässigkeit im Innenbereich: Bauvorhaben fügt sich in Umgebung ein

August, 2019 in Bauen und gewerbliche Anlagen, Bauleitplanung und Fachplanung

Die Baugenehmigung bleibt in Kraft: Ein mit dem geplanten Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses nicht einverstandener Nachbar hatte beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen. Das zuständige Verwaltungsgericht Freiburg folgte dem jedoch nicht. Das Vorhaben beurteile sich nach § 34 BauGB. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften konnte das Gericht weder in Form einer Verletzung des Rücksichtnahmegebotes, noch in einem Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch feststellen. Insbesondere verneinte das VG eine erdrückende oder einmauernde Wirkung des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück. Auch die befürchtete stärkere Verschattung sei zu dulden, wenn die vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss wies der Verwaltungsgerichtshof zurück.

Der von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretenen Wohnungsbaugesellschaft war die Genehmigung zum Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses in einem Ortszentrum erteilt worden. Hiergegen legte ein Nachbar Widerspruch ein und stellte beim Verwaltungsgericht den Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen. Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden summarischen Prüfung kam das VG Freiburg zu der Einschätzung, dass Überwiegendes dafür spreche, dass der Widerspruch erfolglos bleiben werde. Daher überwiege das Interesse am Vollzug bzw. der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung. Die Zurückweisung der Beschwerde durch den VGH Baden-Württemberg erfolgte mit der Begründung, dass die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern vermochten.

Das Vorhaben war nach § 34 BauGB zu beurteilen, maßgeblich für seine Zulässigkeit also das Einfügen in die nähere Umgebung. Das Grundstück befindet sich am Ein- bzw. Ausgang des Ortskerns. Nach Einschätzung des Gerichts handelt es sich bei der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks um eine mischgebietstypische Bebauung. Unter anderem befinden sich dort das Rathaus, ein Getränkehandel, ein Friseursalon, eine Bäckerei und eine Bankfiliale sowie eine Kirche. Auch das umfangreiche Angebot an öffentlichen Parkmöglichkeiten wertete das Gericht als Anhaltspunkt für ein Mischgebiet. In einem solchen ist das geplante Wohn- und Geschäftshaus zulässig. Ungeachtet dessen wäre selbst unter Annahme des Umgebungscharakters als allgemeines Wohngebiet das beantragte Vorhaben (Wohnnutzung und Bankfiliale mit SB-Bereich) jedenfalls ausnahmsweise zulässig. Nach alledem konnte dem Vorhaben ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch nach § 34 Abs. 2 BauGB nicht entgegengehalten werden. Das in der Beschwerdebegründung angeführte Argument, das VG habe die trennende Wirkung der Hauptstraße aufgrund ihrer Straßenbreite falsch beurteilt und deshalb zu Unrecht ein Mischgebiet angenommen, konnte den VGH nicht überzeugen. Aus seiner Sicht hatte das VG zahlreiche weitere Gesichtspunkte (z.B. vergleichbare Siedlungsstruktur, optische Einbindung) einbezogen, auf die die Beschwerde nicht einging.

Einen Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot vermochte das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht zu erkennen. Ein solcher wäre dann anzunehmen, wenn ein Vorhaben auf das Nachbargrundstück eine einmauernde, abriegelnde oder erdrückende Wirkung entfalten würde. Weder die vorgesehene Firsthöhe (welche sogar geringfügig unter der des bestehenden Nachbargebäudes liegt), noch die Entfernung sprachen für eine Rücksichtslosigkeit. Zudem verwies das Gericht darauf, dass auf dem Baugrundstück schon zuvor eine Bebauung existiert hatte, die hinsichtlich des Maßes mit dem jetzigen Vorhaben vergleichbar gewesen sein dürfte. Dem im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Argument einer Dominanz des Bauvorhabens durch die Vielzahl von Wohneinheiten (hier: 19) und die hohe Zahl der Fenster- und Terrassenöffnungen vermochte der VGH nicht zu folgen, da nicht dargelegt worden sei, weshalb dies für eine erdrückende Wirkung maßgeblich sein könne. Das VG habe zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Frage keine bodenrechtliche Relevanz zukomme.

Auch eine unzumutbare Beeinträchtigung hinsichtlich Belichtung, Belüftung oder Besonnung konnte das Verwaltungsgericht nicht feststellen. Die Behauptung, die Solarzellen einer Photovoltaikanlage würden durch das Vorhaben völlig verschattet, wurde weder hinreichend belegt, noch besteht aus Sicht des VG ein Anspruch, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu bleiben. Vielmehr habe ein Nachbar grundsätzlich auch eine Verschattung des Grundstücks zu dulden, wenn die vorgegebenen Abstandsflächen nicht überschritten werden. Auch besteht kein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass ein Grundstück gegen Einblicke von außen abgeschirmt bleibt. Der VGH bestätigte im Beschwerdeverfahren, dass sich der Nachbar mangels einer „erdrückenden“ Wirkung des Bauvorhabens auch nicht auf eine Ausnahme berufen könne.

Zuletzt verneinte das Verwaltungsgericht auch ein behauptetes Planungserfordernis für das maßgebliche Gebiet. Zwar könne auch im Innenbereich eine Bebauungsplanung ausnahmsweise erforderlich sein; dies hätte jedoch nicht zur Folge, dass ohne sie eine Bebauung unterbleiben müsse. Sie ziele z.B. darauf ab, die Entwicklung eines Gebiets in eine andere Richtung zu lenken.

Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar.