Wenngleich Windkraftanlagen bauplanungsrechtlich im Außenbereich zu den privilegierten Vorhaben zählen, können ihrer Errichtung Verbotstatbestände einer Wasserschutzgebietsverordnung entgegenstehen. Im vorliegenden Fall hatte die zuständige Wasserbehörde eine Befreiung von den Verboten zwecks Bau der Anlagen abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Kassel bestätigte diese Entscheidung insbesondere im Hinblick auf das besonders hohe Gewicht des Grundwasserschutzes. Maßgeblich waren hierbei vor allem die im betreffenden Gebiet vorliegenden besonderen hydrogeologischen Verhältnisse und die Tatsache, dass es sich um die ergiebigste Trinkwasserquelle Hessens handelt, die auch überregionale Bedeutung für die Wasserversorgung hat.
Eine von der Kanzlei Dr. Melchinger vertretene Projektentwicklungsgesellschaft beabsichtigte den Bau von bis zu acht Windenergieanlagen im Einzugsgebiet wasserwirtschaftlich genutzter Quellen. Die zuständige Landesbehörde lehnte den Antrag auf Erteilung einer Befreiung von diversen Verbotstatbeständen der geltenden Wasserschutzgebietsverordnung zur Errichtung, zum Betrieb und zum eventuellen Rückbau der Anlagen sowie zur Durchführung von Erkundungsarbeiten, zur Errichtung von Zuwegungen und zur Verlegung erforderlicher Kabel ab. Der Allgemeinwohlbelang der Förderung regenerativer Energien trete hinter dem überragend wichtigen Schutzgut der öffentlichen Trinkwasserversorgung zurück. Es bestehe eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit von Störfällen oder Havarien und in diesem Falle sei eine Ersatzerschließung der Wasserversorgung nicht möglich. Die Klägerin berief sich dagegen darauf, dass den Besorgnissen der Behörde durch die Anordnung von Inhalts- und Nebenbestimmungen sowie Auflagen ausreichend Rechnung getragen werden könne. Sie trug umfangreiche Schutzmaßnahmen vor, die sie umsetzen wollte.
Das Verwaltungsgericht Kassel wies die auf Erteilung der Befreiung gerichtete Klage ab. Die Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB betreffe nur das Bauplanungsrecht. Die einschlägige Wasserschutzgebietsverordnung verbiete Eingriffe unter der Erdoberfläche. Die zuständige Behörde könne eine Befreiung von den Verboten nur erteilen, wenn der Schutzzweck nicht gefährdet werde oder wenn überwiegende Gründe des Allgemeinwohls diese erforderten.
Es liege keine unzumutbare Beschränkung des Eigentumsgrundrechts vor, da die Grundstückseigentümer nach wie vor über ihre Grundstücke verfügen und diese z.B. landwirtschaftlich nutzen könnten. Auch könne eine Befreiung nicht wegen überwiegender Gründe des Allgemeinwohls gefordert werden, da Windenergieanlagen nicht standortgebunden sind und auch außerhalb des Schutzgebiets realisiert werden könnten. Der Gewässerschutz habe ein hohes Gewicht, ganz besonders beim Grundwasserschutz und Schutz der Trinkwasserversorgung. Eine schädliche Verunreinigung von Grundwasser sei nur dann nicht zu besorgen, wenn die Möglichkeit des Eintritts aufgrund der wasserwirtschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen unwahrscheinlich ist. Hierbei sei auf die hydrogeologischen Verhältnisse und die Art der Maßnahme abzustellen. Allerdings sei auch zu prüfen, ob die nachteiligen Wirkungen durch Inhalts- oder Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können.
Das Gericht berief sich angesichts der umfangreichen, technisch schwierigen Fragen auf die vom Bundesverwaltungsgericht zum Atomrecht entwickelten Grundsätze und sprach der Genehmigungsbehörde analog hierzu einen Abschätzungsspielraum zu, dessen gerichtliche Prüfung auf eine Willkürkontrolle beschränkt sei. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei die erfolgte Ablehnung nicht willkürlich, sondern von sachlichen Gründen getragen. Der Untergrund in diesem Schutzgebiet bestehe aus Muschelkalk, dem nur eine geringe Retentionswirkung zukomme. Zudem liege eine überdurchschnittlich hohe Fließgeschwindigkeit vor. Damit könnten auch wassergefährdende Stoffe alsbald nach Eintreten in den Untergrund zur Trinkwasserquelle gelangen. Überdies handle es sich um die ergiebigste Trinkwasserquelle ganz Hessens, der überregionale Bedeutung für die Wasserversorgung von Nordhessen und Westthüringen zukomme. Da mithin das Ausmaß des drohenden Schadens besonders hoch sei, seien nur geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen. Das Gericht legte dar, dass bei den beantragten Maßnahmen selbst unter Setzung von Inhalts- und Nebenbestimmungen noch die Möglichkeit eines Schadenseintritts vorhanden sei. Den Beweisantrag auf Einholung eines hydrogeologischen und eines geologischen Gutachtens lehnte das VG ab. Die Berufung wurde zugelassen.
Auf die Berufung der Klägerin hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom Mai 2024 das o.g. Urteil abgeändert --> zum Urteil VGH